Abgewandelte Kleidungssitten halten Tracht am Leben
Nicht nur die Eichsfelder Mädchen kommen heute in den Trachtengruppen schon lange vor der Heirat unter die Haube
Einst trugen die Mädchen im Eichsfeld das sorgsam gekämmte Haar gescheitelt. Es wurde zu zwei, später auch zu vier Zöpfen geflochten. Generell war es nach der Auskunft vieler Chronisten und Zeitzeugen in alten Schriften unbedeckt. Das heißt, es wurde keine Haube getragen. Heute tragen jedoch viele Eichsfelder Mädchen in den Trachtengruppen eine Haube.  Diese Sitte kam vereinzelt im Alltag schon vor 1850 auf, wie der Autor Dr. Konrad Hentrich bemerkt. So trägt zum Beispiel die fünfjährige Tabea Kaufhold von der Trachtengruppe Uder heute mit Stolz ihre rosafarbene Haube. Die Mädchen sollen damit auch die Traditionen ihrer Heimat zeigen. Tabea ist zum Beispiel ab und zu einmal Streumädchen, wenn die historische Hochzeitsgesellschaft aus Uder präsentiert wird. Vor dem schwarz gekleideten Hochzeitspaar ist sie dann einfach der Farbtupfer. Der Großteil ihrer Trachtenkleidung ist neu angefertigt.

Schtorzn
Tabea trägt ein historisches Exemplar aus der Zeit vor 1850, das sonst in der Heimatstube Uder ausgestellt ist. Das Atlasband ist rosa-weiß-grün-blau gemustert und damit anderen erhaltenen Stücken aus dem südlichen Eichsfeld sehr ähnlich. Die Schtorzn weist über der Stirn keine Spitze auf. Sehr kunstvoll gestaltet ist das stilisierte Blumenmotiv auf dem Deckel. Die Reliefstickerei wurde mit gedrehten und glatten Goldfäden ausgeführt. Es fanden auch einige Pailetten Verwendung. In der Regel wurden diese Zierstickereien nicht von der Haubenträgerin selbst ausgeführt, sondern von Frauen, die sich darauf spezialisiert hatten und gegen Lohn arbeiteten. Später kam es zur Verwendung manufakturmäßig hergestellter Haubendeckel.

Streukörbchen
Myrthe, Blütenblätter oder in diesem Fall Buchsbaum symbolisieren die lange Dauer, das Glück und die Gesundheit in der Ehe. Als Streukinder werden gern kleine Verwandte in Anspruch genommen, in der Hoffnung auf eigenen Nachwuchs.

Schürze
Diese Schürze wurde neu aus weißem Leinenstoff hergestellt. Heute wird auch Baumwollstoff gern dazu benutzt.

Schultertuch
Als prägendes Element mit Fransen versehen, auch ein neues Trachtenstück. In heutige Eichsfelder Frauentracht wird es oft einbezogen, obwohl es früher nicht unbedingt dazugehörte.

Bluse
Weiß und weit geschnitten fallen besonders die Rüschen auf. Die Kinder benötigen Bewegungsfreiheit, wenn sie tanzen oder am Festumzug teilnehmen. Deswegen sollen die Trachten nie zu eng sein.

Rock
Aus neuem farbenfreudigem Stoff genäht, unten mit weißer Spitze versehen. Die alten Stoffe konnten nicht oder nur sehr umständlich gewaschen werden. Gerade bei den Kindern ist es heute wichtig, dass die Trachtenkleidung leicht zu reinigen ist.

 

Den modernen Erfordernissen angepaßt

Die Eichsfelder Haube gab und gibt es in zahlreichen Formen
Trachten verändern sich. Sie sind nicht statisch und unterliegen den Einflüssen der Mode der Zeit. Auch sind sie regional verschieden und varieren zum Teil von Ort zu Ort, oft sogar ganz beträchtlich. Das ist zum Beispiel ganz gut an der Kopfbedeckung der Eichfelder Frauen nachzuvollziehen, der sogenannten „Storze“. Diese war der verheirateten Frau vorbehalten, und nach den alten Kleidungsvorschriften hätte sich ein unverheiratetes junges Mädchen gar nicht derart kleiden können. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts weichten die Sitten auf.

Eigentlich wurden der Frau am Hochzeitstag zum ersten Mal die Haare mittels einer „Nistnooln“, der Nestnadel, zum Knoten gebunden. Darauf kam dann die Storze. Sie gab es auf dem gesamten Eichsfeld in unzähligen, auch sehr farbenfrohen Abwandlungen. Heute tragen die meisten Eichsfelder Trachtengruppen schwarze Kopfbedeckungen.

Es gab mehrere Formen der Stortze. Einige hatten spitzte Formen und einigen waren deckelartig abgeschlossen, wie das historische Stück aus Uder. Aus Diedorf im Eichsfeld ist eine Festhaube bekannt, die ihr sehr ähnlich sind. Es gibt aber einen Unterschied. An der Stirnseite befindet sich eine Spitze, die an dem Uderer Exemplar wahrscheinlich nie vorhanden war. Hier deutet alles darauf hin, dass die verschiedenen Haubenarten eng miteinander verwandt sind. Für die sitzeren Hauben sind übrigens auch die Bezeichnungen Spitzhaube, „Spitzbätzel“ oder Spitzmütze bekannt.  Sie Seidenbänder der Hauben kamen aus Pößneck oder dem Vogtland. Die Handelsbeziehungen waren eben auch schon früher überregional. Die „Pößnecker Schnurren“ bestanden aus Halbseide, sie waren sehr schmal und kosteten damals 18 Mark. Breitere Moirebänder schlugen mit bis zu 30 Mark zu Buche. Stolze Summen, auf die lange gesparten werden musste. Entsprechend wurde die Haube auch in Ehren gehalten. Manche Eichsfelder Familien bewahren bis heute wertvolle Erbstücke auf.

Warum nun Storze und Spitzbätzel nun auch für die jungen Mädchen? Ganz einfach: diese Kopfbedeckungen repräsentieren das Eichsfeld wie kaum eine andere. Wer sie sieht, weiß woher die Trachtenträger kommen. Damit wird die Kleidung doch dem ursprünglichen Zweck gerecht. Die Mädchen möchten sie zudem gern tragen und sie kleiden einfach gut. So wird die Tracht modern belebt und bleibt auch in der Zukunft erhalten, ohne die alten Regeln ganz zu vergessen. Denn Tradition lebt von Veränderung.